Ein Blütenmeer – so weit das Auge reicht: Wenn Landwirt Richard Schulte den Blick über seine Flächen streifen lässt, sieht er die Wilde Karde, Natternkopf, Rainfarn und bis zu 18 weitere Arten. Bis zum Horizont erstrecken sich auf 35 ha Wildpflanzen. In diesem Jahr sollen es noch mehr werden. Der Landwirt aus Delbrück-Westenholz will die Anbaufläche für Wildpflanzen auf 45 ha ausweiten.
Während auf Maisflächen für die Biogasproduktion wenig Leben zu finden ist, tummeln sich auf den Wildpflanzenflächen Wildbienen, Schwebfliegen, Falter und zahlreiche Vogelarten. Ein wichtiger Beitrag für den Artenschutz. Und trotzdem auch ein Wirtschaftsfaktor. Denn seit 6 Jahren baut der Energie- und Biodiversitätswirt auf einem Teil seiner Flächen Wildpflanzen an, die einmal im Jahr geerntet und der 500 kWel Biogasanlage zugeführt werden. Im Gegensatz zur Maispflanze kommen die Wildpflanzen ab dem zweiten Standjahr sogar besser mit Trockenheit zurecht, weil ihr Wurzelwerk bereits stärker ausgeprägt ist und auch Wasservorräte aus tieferen Bodenschichten erreichen kann.
Energiegewinnung aus Wildpflanzen – über seine Erfahrungen berichtete Richard Schulte jetzt interessierten Biogasanlagenbetreibern und Berufskollegen aus Herford, Bielefeld und Lippe im Rahmen einer Informationsveranstaltung. „Energiewirtschaft und Artenschutz lassen sich kombinieren“, so Michael Stotter von der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft. Die Stiftung berät zur Biogasgewinnung aus mehrjährigen Wildpflanzen. Bereits beim Projekt „Energiepflanzenanbau und Biodiversität“ konnten sechs Jahre lang wichtige Erfahrungen gesammelt werden, die schließlich im BfN-Skript veröffentlicht wurden. „Wir haben dort wichtige Erfahrungen zur Methanausbeute, zum Ertrag und zur Etablierung der Bestände gesammelt und sind davon überzeugt, dass Wildpflanzen einen positiven Beitrag zur Insektenvielfalt leisten. Innerhalb des BfN-Projekts konnten wir einige regional-, landes- und bundesweit gefährdete Arten nachweisen. Die Grabwespe P. chevrieri war für NRW ein Erstfund. Auch die nachgewiesene Berg-Feldwespe (Polistes biglumis) ist hervorzuheben, die in NRW sogar als ausgestorben oder verschollen gilt und für die Region „Westfälische Bucht und Westfälisches Tiefland“ neu ist. Die Art ist aufgrund der Klimaerwärmung dabei, ihr Verbreitungsgebiet von Süden nach Norden zu verschieben “, so Stotter. Ebenfalls konnten folgende Arten erstmals in der Region „Westfälische Bucht und Westfälisches Tiefland“ nachgewiesen werden:
- Vierbindige Furchenbiene (Halictus quadricinctus) (in NRW vom Aussterben bedroht und deutschlandweit gefährdet)
- Holz-Blattschneiderbiene (Megachile ligniseca) (in Deutschland stark gefährdet)
- Bedornte Wespenbiene (Nomada armata) (in NRW vom Aussterben bedroht, bundesweit gefährdet)
Ab dem kommenden Jahr soll der Anbau von Wildpflanzen als Agrarumweltmaßnahmen voraussichtlich mit 460 EUR gefördert werden.
Das BfN-Skript zu Leitplanken für die Bioökonomie finden Sie hier